Spiegel
Ägyptische Polizei stürmt Büros von Menschenrechtlern
Ägyptens Behörden gehen vehement gegen zahlreiche Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen vor: In Kairo durchsuchten Sicherheitskräfte die Büros von 17 Einrichtungen – betroffen waren auch die Konrad-Adenauer-Stiftung und zwei US-Organisationen. Das Auswärtige Amt in Berlin protestierte.
Kairo – Der unangekündigte Besuch kam mit Waffen und deutlichen Befehlen: Ägyptische Sicherheitskräfte haben am Donnerstag Razzien in den Büros zahlreicher Nichtregierungsorganisationen durchgeführt – die Mitarbeiter der Menschen- und Bürgerrechtsgruppen mussten während der Durchsuchungen in ihren Räumen bleiben und durften keine Telefonate führen.
Die Einsätze fanden nach offiziellen Angaben in den Räumen von insgesamt 17 ägyptischen und ausländischen Organisationen statt. Grund für die Durchsuchungen waren den Behörden zufolge Ermittlungen wegen des Verdachts illegaler „Finanzierung aus dem Ausland“.
Nach Angaben aus Justizkreisen waren unter anderem zwei US-Organisationen betroffen. Eine Vertreterin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Ägypten, Heba Morajef, sagte, die Büros des National Democratic Institute (NDI) seien durchsucht worden. Im Vorstand des NDI mit Hauptsitz in Washington sitzt unter anderem die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright.
Aus Justizkreisen verlautete, bei der anderen US-Organisation handle es sich um das International Republican Institute (IRI). Das ägyptische Justizministerium teilte mit, mindestens eine der Organisationen mit Sitz in den USA habe ohne ordnungsgemäße Genehmigung in Ägypten gearbeitet. Vergangenen Monat hatte das Ministerium erklärt, dass zahlreiche Bürgerrechtsgruppen nach dem Sturz des Präsidenten Husni Mubarak im Februar illegal aus dem Ausland finanziert würden.
Sie habe keine Ahnung, warum sie und ihre Kollegen in ihren Büros festgehalten würden und warum ihre privaten Laptops konfisziert würden, twitterte Hana al-Hattab, eine NDI-Mitarbeiterin laut der britischen Zeitung „Guardian“. Die Sicherheitskräfte seien mit Maschinengewehren gekommen.
Ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, dass der Zugang zu den Räumen des NDI in Kairo von Sicherheitskräften gesperrt war. Aus dem Gebäude kamen Männer mit Kartons voller Dokumente.
Auch das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung wurde durchsucht. Das Auswärtige Amt in Berlin zeigte sich über die Durchsuchung der Räumlichkeiten der Stiftung „sehr besorgt“ und erklärte, es erwarte „eine umgehende Aufklärung dieses Vorgangs“. Außenminister Guido Westerwelle erwarte, „dass die Angelegenheit möglichst schnell aus der Welt geschafft wird und die Stiftung ihre Arbeit ohne Behinderungen fortsetzen kann“, sagte eine Sprecherin. Zudem sei der ägyptische Botschafter für diesen Freitag ins Auswärtige Amt einbestellt worden. Die Konrad-Adenauer-Stiftung arbeite seit Jahren erfolgreich in Ägypten, hieß es weiter.
Der Vorfall dürfte die Spannungen zwischen der Militärregierung und Bürgerrechtlern in dem Land verschärfen. Zuletzt war es zu blutigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Soldaten gekommen, mindestens 13 Menschen starben. Die Kritiker der Übergangsregierung hatten die Absetzung des vom Obersten Militärrat eingesetzten Ministerpräsidenten Kamal al-Gansuri und die Machtübergabe an eine demokratisch legitimierte Zivilregierung gefordert.
Freispruch für angeklagte Polizisten
Beobachter rechnen zudem damit, dass die Razzia das Verhältnis zwischen der Militärregierung und den USA belastet: Ägypten erhält jährlich rund 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe aus Washington.
Am Donnerstag sprach ein ägyptisches Gericht zudem fünf Polizisten frei, die angeklagt waren, während des Aufstands gegen den damaligen Machthaber Mubarak fünf Demonstranten getötet zu haben. Angehörige der getöteten Demonstranten reagierten entsetzt, als der Freispruch verkündet wurde.
Bei den Aufständen gegen Mubarak im Januar und Februar waren rund 850 Menschen getötet worden.
Am Mittwoch war der Prozess gegen den gestürzten Machthaber fortgesetzt und nach einer formellen Anhörung von Anklage und Verteidigung auf den 2. Januar vertagt worden. Sollte Mubarak wegen Mordes verurteilt werden, droht ihm die Todesstrafe. In dem Verfahren stehen auch Mubaraks Söhne Gamal und Alaa, Ex-Innenminister Habib al-Adli sowie sechs frühere ranghohe Sicherheitsbeamte vor Gericht.